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Sonntag, 9. Juli 2017

Der faule Falke




Ein großer König erhielt ein Geschenk von zwei frisch geschlüpften, wilden Falken. Er brachte die beiden Jungvögel sogleich dem Meister der Falknerei, um sie zur Jagd abzurichten. Nach einigen Monaten ließ der Meister dem König ausrichten, dass einer der beiden Falken perfekt ausgebildet sei. „Und der zweite?“, fragte der König.


„Es tut mir leid, Herr, aber der zweite Falke verhält sich seltsam. Vielleicht hat er eine seltene Krankheit, die wir nicht heilen können. Er verlässt den Ast nicht! Niemand kann ihn vom Ast des Baumes weglocken, auf den er am ersten Tag hingesetzt wurde. Ein Diener muss jeden Tag zu ihm hochklettern, um ihm sein Futter zu bringen.“

Der König rief Tierärzte und Heiler und Experten jeder Art zu sich, doch keiner schaffte es, den Falken zum Fliegen zu bewegen. Er befragte den gesamten Hofstaat, Generäle, die weisesten Räte, doch niemand konnte helfen und den Falken von seinem Ast locken. Vom Fenster seiner Räume aus beobachtete der Monarch Tag und Nacht den faulen Falken.


Eines Tages ließ er ein Edikt (Bekanntmachung) verkünden, in dem er seine Untertanen um Hilfe für sein Problem bat. Am nächsten Tag öffnete der König sein Fenster und sah er mit großem Erstaunen, dass der Falke stolz unter den Bäumen des Gartens umher flog. „Bringt mir den Grund dieses Wunders!“, befahl er.

Bald darauf brachte man ihm einen jungen Bauern. „Du hast dem Falken das Fliegen gelernt? Wie hast du das geschafft? Bist du ein Zauberer?“, fragte ihn der König.

Schüchtern und glücklich erklärte der junge Mann: „Es war nicht schwer, Majestät. Ich habe einfach den Ast abgesägt. Der Falke erinnerte sich an seine Flügel und begann zu fliegen.“
(Bruno Ferrero)





Manchmal wird uns vom Schicksal/ von Gott der sichere Zweig abgesägt, auf dem wir sitzen, damit wir uns an unsere eigenen Fähigkeiten erinnern. Manchmal muss man auch einem anderen Menschen ganz bewusst die Hilfe verweigern, damit dieser anfängt, Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Dann allerdings ist das vermeintliche "Unglück" für die Person ein "Sprungbrett" zu einem besseren Leben.
Wie oft klammert man sich an seinem "vertrauten" Zweig fest, aus Angst und Sorge vor dem Unbekannten?


Samstag, 11. Februar 2017

Manchmal schützt ein Eispanzer...





...und sieht dabei wunderschön aus.

Raureif und die dazugehörigen Frostkristalle entstehen an den Pflanzen, wenn deren Temperatur so weit abkühlt, dass der Taupunkt in ihren Zellen unter dem Gefrierpunkt liegt. Nur dann können auf der Oberfläche der Pflanze unterkühlte Wassertröpfchen, z.B. aus dem Nebel, zu verschiedenen Eiskristallformen wachsen.

Solange kein Tauwetter eintritt und den Saft fließen lässt, ist die Pflanze vor Frostschäden geschützt. Viele Pflanzen erhöhen den Zuckergehalt in den Zweigen, welches als natürliches Frostschutzmittel wirkt. Selbst die Knospen bleiben unbeschadet und treiben wieder aus, wenn die Kälteperiode vorbei ist.

In manchen Obstbaumplantagen macht man sich dies zum Vorteil. Damit die Blüten bei nächtlichen Spätfrösten nicht erfrieren, werden die Bäume mit Wasser berieselt, sobald die Nachttemperaturen zum Gefrierpunkt absinken. Dadurch werden die Äste mit einem Eismantel überzogen. Unter dem Eis bleibt die Temperatur an Ästen, Knospen und Blüten bei 0 Grad Celsius. Dies schadet den Blüten und Knospen noch nicht.
So eine Frostschutzberegnung funktioniert nur, wenn kontinuierlich frisches Wasser auf die Blüten gesprüht wird. Dies kann an manchen Tagen bis zu zwölf Stunden andauern. Das ist ein Grund, warum sich diese Methode bei Kleingärtnern nicht lohnt. Schaltet man die Beregnung bei vorhandenen Minusgraden ab, kommt es auf der Oberfläche des vorhandenen Eises zu einer Wärmeabgabe (Wärmeverlust durch Verdunstungskälte). Die Pflanzen erleiden einen Frostschaden. Nur nach Sonnenaufgang und bei Plusgraden, dürfen die Obstbauern die Beregnung abstellen. Dann taut das Eis von Ästen und Blüten ab und das Tauwasser verbleibt nicht auf der Pflanze, sondern sickert in den Boden ohne Schaden anrichten zu können.

Auf diese Methode des Frostschutzes ist man angeblich gekommen, weil toskanische Weinbauern an einem warmen Frühlingstag ihren Weinberg bewässerten. Abends stellten die Winzer die Sprühanlagen wieder ab. Man dachte, wenn es nachts Frost geben würde, dann würden die Blüten erfrieren. Nur ein Winzer versäumte es, das Wasser abzustellen.  Er hatte vom frühen Abend an, bis zum nächsten Morgen, sich den Wein in einem Lokal munden lassen.  Am nächsten Tag kam er erst spät zu seinem Weinberg. Ausgerechnet sein Weinberg hatte als einziger den eingetretenen Nachtfrost ohne Schaden überstanden.



Manchmal denke ich mir, mit uns Menschen ist es ähnlich. Nicht umsonst gibt es viele Redensarten, wie:
- da ist das Eis zwischen uns gebrochen
- es herrscht eisige Stimmung zwischen den Parteien
- er/sie hat ein eisiges Herz
- er/sie wurde eiskalt abserviert
- man wurde eiskalt erwischt
- er/sie zieht es eiskalt durch
- das hat das Herz geschmolzen

Viele Menschen zeigen ihre "eisige" Seite, weil sie sich schützen wollen. Manche haben sich einfach ihrer Umgebung angepasst. Einige brechen auch irgendwann unter ihrem eigenen Eispanzer zusammen, wenn die Last zu groß wird. "Eiseskälte" macht handlungsunfähig.
Völlig unerwartete, "frostige Attacken" unserer Mitmenschen können ebenso viel Schaden anrichten. Am meisten, wenn der eine sich dem anderen vertrauensvoll geöffnet hat.

Eine liebe Bekannte hat mir einen Spruch gesendet, den ich euch nicht vorenthalten möchte:

Ein klares "JA" zu deinem Leben verlangt auch nach einem klaren "NEIN".
Ein "NEIN" zu Menschen und Situationen, 
die dich herunterziehen
 und die dich trennen, 
von dir selbst.


Das Original müsste allerdings von Bahar Yilmaz sein (Die Suche nach den ursprünglichen Autoren gestaltet sich zuweilen recht schwer). Es heißt:

Ein klares "JA" zu deinem Leben verlangt auch nach einem klaren "NEIN".
Ein "NEIN" zu Menschen und Situationen, 
die in dir Stress auslösen.

Es geht allerdings nicht darum, bei jeder schwierigen Situation und jedem Konflikt die Flucht zu ergreifen und Mitmenschen in ihrer Not keinen Beistand mehr zu geben. Es geht hier eher um das Erkennen, ob uns manche Menschen (sei es aus Gedankenlosigkeit oder mit Absicht) durch ihr Verhalten öfters und/oder dauerhaft in Situationen bringen, die uns seelisch über einen längeren Zeitraum stark belasten. Es kommt durchaus vor, dass man in dieser Zeit selber seine Zuversicht und den Blick auf das Schöne, was uns umgibt, verliert. Man macht sich Sorgen um den anderen. Aber während wir dann zum Beispiel noch grübeln, was wir machen könnten, damit es dem anderen wieder gut geht, ist dieser vielleicht schon längst wieder gut gelaunt und es interessiert ihn überhaupt nicht, was er in uns ausgelöst hat. Wenn man dies erkennt, sollte man achtsamer sein und sich überlegen, wo man seine persönliche Grenze setzt.

Ich wünsche euch viele Momente, die euer Herz langanhaltend erwärmen. Die "frostigen Zeiten" können in der Erinnerung dann auch etwas Schönes sein. Nämlich ein Zeichen dafür, dass man nicht "erfroren" ist, sondern immer wieder mit neuer Kraft sein eigenes Leben lebt.






Sonntag, 4. Dezember 2016

Der Frieden hier schmeckt bitter


Während in dieser Zeit hier viele Menschen durch die Geschäfte hetzen, um ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen und dabei genervt ihre schweren Tüten schleppen, sind in anderen Ländern auch Menschen gehetzt. Nur diese Menschen schleppen dabei ihr geringes Hab und Gut und manchmal auch nur noch sich selber oder ihre Kinder, um an einen vermeintlich sicheren Ort zu kommen. 

Gehetzte Seelen - doch aus verschiedenen Gründen. 

(Weihnachts)Frieden. Nie wird ein so signifikanter Anstieg an häuslicher Gewalt festgestellt als in der Weihnachtszeit. Ursache: Überzogene Ansprüche an Weihnachten. Es soll das Familienleben perfekt sein, was innerhalb des Jahres nie weiter gepflegt wurde. 

Frieden. Für die einen ist es ein romantisch verklärtes Bild. Im besten Fall ist Friede einfach Alltag, der nicht weiter beachtet wird. 
Für andere aber ist er eine schmerzhafte Sehnsucht, ein scheinbar unerreichbarer Wunsch. Manchmal ein stiller Moment in all der Zerstörung, in dem man aufatmen kann und Ruhe findet. 

Meine Kerze brennt für die, die sich gehetzt fühlen - aus welchen Gründen auch immer. Nein, es soll jetzt kein moralisierender Post an euch werden. Keine Aufforderung zu Irgendetwas. Solche Beiträge gibt es genug. Ich bin nur gedanklich oft in einem mir fremden Land. Auch wenn ich die Menschen nicht kenne, sind sie mir nah. Sie lieben. Sie wünschen. Sie hoffen. Sie trauern.

Ich trauere mit. 

Der Frieden hier schmeckt bitter. 


Montag, 7. November 2016

Nachdenkgeschichte - Zeichen setzen und Spuren hinterlassen


Zeichen im Baum, Spuren hinterlassen


Ein alter Bauer spürte, dass sein Leben zu Neige ging. Immer wieder machte er sich Gedanken, ob er seinen Söhnen das Wichtigste für ihr Leben beigebracht hatte. Eines Tages rief er sie deshalb zu sich. 

"Ich bin alt geworden und meine Zeit ist bald gekommen. Meine Spuren und Zeichen in der Welt werden bald verblassen.  Bevor ich sterbe, möchte ich, dass ihr in die Welt hinaus geht. Hinterlasst auf eurem Weg eure eigenen Spuren und Zeichen. In einem Jahr werde ich mit euch eurem Weg folgen und eure Zeichen betrachten."

Kaum waren die Brüder auf dem Weg, fing der Ältere an, Wegzeichen zu hinterlassen. Er baute Steintürme, band Gräser zusammen, brach Zweige und Äste ab, um sie in die Erde zu bohren oder zusammen zu binden. Manche Hinweise schnitzte er in Bäume und so arbeitete er hart von früh bis spät. Er nahm sich kaum Zeit mit anderen zu reden und beachtete seine Umgebung kaum. Er wollte seinem Vater zeigen, dass er seinen Auftrag ernst nahm.

Der jüngere Sohn lief dagegen von Dorf zu Dorf. Er redete mit den Menschen. Er erzählte ihnen, woher er kam und warum er unterwegs war. Er spielte mit den Kindern, lauschte den Geschichten der Alten, tanzte mit den Menschen und aß mit ihnen zusammen an einem Tisch. Er freundete sich mit einem Jungen an und wurde in dessen Familie aufgenommen. Immer wieder fand er freundliche Menschen, mit denen er Erfahrungen und Gedanken austauschen konnte.

Sein Bruder sah es mit Ärger und dachte: "Ich arbeite von früh bis spät und setze Zeichen! Mein Bruder macht nichts, was man ihm sagt!"

Als die Brüder wieder daheim waren, erzählten sie ihrem Vater von ihren Erlebnissen. Der Vater folgte alsbald seinen Söhnen auf demselben Weg, den sie gegangen waren.

Egal wo sie hin schauten. Die Zeichen und Spuren des Älteren waren nicht mehr zu sehen. Manche Bäume waren gefällt worden, der Wind hatte Gras und Äste verweht, der Regen die Erde glatt gespült und die Steinhaufen waren fort getragen worden. 

Doch in welchem Dorf auch immer sie hinkamen, wurde der jüngere Bruder erkannt und mit seiner Familie freundlich empfangen, um ihm eine Feier zu bereiten. Die Kinder liefen dem Jüngsten erfreut entgegen und die Alten strahlten ihn an. Niemand aber erkannte den älteren Bruder.

„Warum erkennt mich niemand?“, wunderte er sich. Sein Vater antwortete: 
“Es gibt noch andere sichtbare Zeichen als Grashalme, Zweige und Steine, mein Sohn. Es sind die Spuren, die ein Mensch in den Herzen anderer Menschen hinterlässt, indem er ihnen Zeit und Freundschaft schenkt. 
Ihr habt beide euch bemüht, meinen Auftrag zu erfüllen. Du hast viel gearbeitet, Mühe investiert und im Land deine Zeichen gesetzt. Dabei hast du dich oft einsam gefühlt. Dein Bruder, hat die Zeichen und Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen. Darum erkennt man ihn. 
Die Zeichen im Herzen eines Menschen bleiben erhalten und leben weiter, wenn alle anderen Wegzeichen vom Strom der Zeit weggespült worden sind."

(Nach einem afrikanischen Märchen)



Blick auf einen Fluss

Nachdenkgeschichte - Zeichen setzen und Spuren hinterlassen


Zeichen im Baum, Spuren hinterlassen


Ein alter Bauer spürte, dass sein Leben zu Neige ging. Immer wieder machte er sich Gedanken, ob er seinen Söhnen das Wichtigste für ihr Leben beigebracht hatte. Eines Tages rief er sie deshalb zu sich. 

"Ich bin alt geworden und meine Zeit ist bald gekommen. Meine Spuren und Zeichen in der Welt werden bald verblassen.  Bevor ich sterbe, möchte ich, dass ihr in die Welt hinaus geht. Hinterlasst auf eurem Weg eure eigenen Spuren und Zeichen. In einem Jahr werde ich mit euch eurem Weg folgen und eure Zeichen betrachten."

Kaum waren die Brüder auf dem Weg, fing der Ältere an, Wegzeichen zu hinterlassen. Er baute Steintürme, band Gräser zusammen, brach Zweige und Äste ab, um sie in die Erde zu bohren oder zusammen zu binden. Manche Hinweise schnitzte er in Bäume und so arbeitete er hart von früh bis spät. Er nahm sich kaum Zeit mit anderen zu reden und beachtete seine Umgebung kaum. Er wollte seinem Vater zeigen, dass er seinen Auftrag ernst nahm.

Der jüngere Sohn lief dagegen von Dorf zu Dorf. Er redete mit den Menschen. Er erzählte ihnen, woher er kam und warum er unterwegs war. Er spielte mit den Kindern, lauschte den Geschichten der Alten, tanzte mit den Menschen und aß mit ihnen zusammen an einem Tisch. Er freundete sich mit einem Jungen an und wurde in dessen Familie aufgenommen. Immer wieder fand er freundliche Menschen, mit denen er Erfahrungen und Gedanken austauschen konnte.

Sein Bruder sah es mit Ärger und dachte: "Ich arbeite von früh bis spät und setze Zeichen! Mein Bruder macht nichts, was man ihm sagt!"

Als die Brüder wieder daheim waren, erzählten sie ihrem Vater von ihren Erlebnissen. Der Vater folgte alsbald seinen Söhnen auf demselben Weg, den sie gegangen waren.

Egal wo sie hin schauten. Die Zeichen und Spuren des Älteren waren nicht mehr zu sehen. Manche Bäume waren gefällt worden, der Wind hatte Gras und Äste verweht, der Regen die Erde glatt gespült und die Steinhaufen waren fort getragen worden. 

Doch in welchem Dorf auch immer sie hinkamen, wurde der jüngere Bruder erkannt und mit seiner Familie freundlich empfangen, um ihm eine Feier zu bereiten. Die Kinder liefen dem Jüngsten erfreut entgegen und die Alten strahlten ihn an. Niemand aber erkannte den älteren Bruder.

„Warum erkennt mich niemand?“, wunderte er sich. Sein Vater antwortete: 
“Es gibt noch andere sichtbare Zeichen als Grashalme, Zweige und Steine, mein Sohn. Es sind die Spuren, die ein Mensch in den Herzen anderer Menschen hinterlässt, indem er ihnen Zeit und Freundschaft schenkt. 
Ihr habt beide euch bemüht, meinen Auftrag zu erfüllen. Du hast viel gearbeitet, Mühe investiert und im Land deine Zeichen gesetzt. Dabei hast du dich oft einsam gefühlt. Dein Bruder, hat die Zeichen und Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen. Darum erkennt man ihn. 
Die Zeichen im Herzen eines Menschen bleiben erhalten und leben weiter, wenn alle anderen Wegzeichen vom Strom der Zeit weggespült worden sind."

(Nach einem afrikanischen Märchen)



Blick auf einen Fluss

Samstag, 20. August 2016

Und dann öffne ich meine Arme für dich!

Bild zum Tema "Und dann öffne ich meine Arme für dich!"


Als meine große Tochter so im Sonnenuntergang zur Walberla-Kapelle lief, fiel mir ein Lied von Gerhard Schöne ein. "Und dann öffne ich meine Arme für dich!". Ihr könnt auf seiner Homepage in das Lied hineinhören und dort auch einige seiner Texte lesen (Die CD heißt "Lieder" und wurde 1993 herausgegeben, ihr müsst also etwas nach unten scrollen.).

Meine Mädels sind sichtbar keine kleinen Kinder mehr. Sie werden ihren Weg gehen und ich wünsche ihnen von Herzen, dass es ein guter Weg sein wird.

Einmal kommt der Moment, wenn du sagst: 
"Nun lass mich schon los. Ich kann selbst fliegen!" 
Oh, dann drück ich dich noch einmal geschwind. 
Hol tief Luft und geb dir ganz viel Rückenwind. 
Leise werde ich beten: "Gott behüt mein Kind!"

Und dann öffne ich meine Arme. Und dann öffne ich meine Arme für dich!



Sonntag, 17. Juli 2016

Momente

Baby auf der Intensivstation




Das Leben besteht aus seltenen einzelnen 
Momenten von höchster Bedeutsamkeit
und unzählig vielen Intervallen, 
in denen uns bestenfalls die Schattenbilder 
jener Momente umschweben.
Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie,
das Gebirge, der Mond, das Meer – alles das redet
nur einmal ganz zum Herzen,
wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt.
Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht 
und sind selber Intervalle und Pausen 
in der Symphonie des wirklichen Lebens.
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)

Was für kostbare Momente. Die Zeit ist schon ein seltsames Konstrukt. So individuell einzigartig für jede einzelne Person.

Dieses Bild steht stellvertretend für einen wertvollen Moment ... einen wertvollen Moment für mich.

Wie unendlich lang dauerte es, bis ich meine Kleine endlich einmal aus dem Klinikzimmer mit dem mit Fliegengitter bespannten Fenster, ins Freie nehmen durfte. Nur kurz sollte es sein. Eine halbe Stunde Frischluft und das nur deswegen, weil ich sie auf der Intensivstation alleine versorgte und schon lange nicht mehr auf Apparate schaute, um zu wissen, ob alles in Ordnung war. Zum ersten Mal in ihrem Leben, nach viereinhalb Monaten in der Klinik, sollte meine Tochter den Himmel sehen und im kleinen Krankenhauspark (direkt vor der Kinderklinik) Bäume. Dort hoppelten wilde Kaninchen herum und ein kleiner runder Teich beherbergte Teichhühner mit ihren Küken.

Aus dem Altbau der Kinderklink heraus tretend weiteten sich die Augen meiner Kleinen. Die Augen wurden groß und größer. Zum ersten Mal blauer Himmel!  Klare Farben! Nicht wie aus dem Bett erlebt, verschwommen und getrübt durch die grauen Fliegengitter. Unter einer Plantane blieb ich stehen. Die Äste wiegten sich leicht im Wind und die Blätter raschelten. Nur langsam löste sich ihr Blick und sie schaute zu einem Rosenstrauch. Ich nahm es als Aufforderung und schob den Wagen langsam dorthin. Vorsichtig streckte sie die Hand aus. Ich bog einen Zweig so, dass sie schnuppern konnte und wieder wurden die Augen vor Erstaunen groß. Ich bückte mich und pflückte ein paar Gänseblümchen. Sie lächelte und griff zu. Fest zu, so dass die Knöchel ihrer kleinen Hand weiß sichtbar wurden. Sie führte die Blumen zum Gesicht und die kleinen Blütenblätter kitzelten ihre Nase und Wangen. Sie schüttelte ihren Kopf und lächelte. Die frische Luft und die neuen Eindrücke zeigten Wirkung. Sie gähnte nach kurzer Zeit und schlief mit dem Blick auf die Teichhühner zufrieden ein.
Der Oberarzt kam vorbei und wechselte mit mir kurz ein paar Worte. Er war erstaunt, dass ich mir traute, mit meiner Kleinen alleine spazieren zu gehen. Als ich ihm die Werte zeigte und meinte, ich würde gerne länger draußen bleiben, da sie stabil war und die Situation sichtlich genoss, stimmte er mir zu. Ich sollte halt weiterhin die Gerätschaften im Auge behalten. Er wollte in der Station Bescheid geben, dass er mir die Erlaubnis gegeben hatte und ich - mit seiner Erlaubnis - etwas später hoch käme. Was für eine Freude für mich! Was für ein toller Tag!

Ich wollte den Moment genießen und schob den Wagen zu einem gepflasterten runden Platz. Man saß dort windgeschützt, da er mit Steinmauern umrandet war, welche Wärme speicherten. Natürlich konnten sich auch die Patienten und Angehörigen aus den anderen Klinikgebäuden dort erholen. Ich setzte mich vorsichtig und machte die Bremsen des Kinderwagens fest. Zum allerersten Mal hatte ich als Mama mein eigenes Baby in einem Kinderwagen herum gefahren. Ein bisschen Normalität in all dieser Zeit. Stolz und glücklich betrachtete ich meine Kleine. Sie sah so wunderschön aus.

Die Werte waren perfekt. Der Monitor hing am Kinderwagengriff. Ebenso war die Sauerstoffflasche dort hingehängt worden und lag direkt am Korpus des Wagens an. Unter dem Kinderwagen war  für den Notfall das Absauggerät für die Lunge verstaut und mit einem Tuch abgedeckt. Im Fußbereich des Bettchens stand die Nahrungspumpe. Der Zugang zur Jejunalsonde (künstliche Ernährung über den Dünndarm) war unter der Bettdecke versteckt. Der Perfusor für die Medis war nicht angeschlossen. Man sah also nur die Stange, an der der Nahrungsbeutel hing und mein Kind - wenn man direkt in den Wagen schaute - so wie auf dem Foto erkennbar.

Dieser wunderschöne Moment wurde jäh zerstört. Zwei Frauen setzten sich mir gegenüber auf die Parkbank. Die eine schaute mich mit zusammengekniffenen Augen böse an. Ich dachte mir nichts dabei. Jeder konnte einen schlechten Tag haben. Dann zündeten sich beide eine Zigarette an und fingen an zu rauchen. Plötzlich giftete mich die eine Frau laut an, ich wäre mit meinem Kind eine Zumutung für die Gesellschaft. Ich solle gefälligst verschwinden. Ich war fassungslos. Erwidern konnte ich nichts. Ich war zu geschockt. Ich hab mir nur in diesem Moment gedacht, wie vielen Eltern mit sichtbar behinderten Kindern oder behinderten Erwachsenen ist wohl schon so etwas passiert? Wenn Menschen schon so verletzend sind, obwohl sie nicht einmal erkennen können, was eigentlich dem Baby fehlt, um wie viel grausamer sind sie wohl, wenn sie eine deutliche Behinderung erkennen? Ich ging in die Klinik zurück. Die Kleine schlief unbeeindruckt weiter. In ihrer Hand fest umschlossen die Gänseblümchen.

Hoffen wir einmal, dass diese Damen im Alter (wenn sie krank sind oder Hilfe benötigen) verständnisvolle Pfleger finden, die  eine andere Sichtweise haben und sie dann nicht als Zumutung für die Gesellschaft sehen.









Freitag, 20. Mai 2016

Gute Wünsche für deinen Weg...





Glaub an Dich!

Lass dich nicht unterkriegen, 
nicht alle Menschen sind so wie du,
die dich täuschen.

Lass dich nicht verbiegen,
es gibt Menschen,
die dich so brauchen wie du bist.

Lass dich nicht besiegen 
von denen,
die meinen sie hätten leichtes Spiel mit dir.

Bewahre den Glauben an dich 
und du wirst Menschen finden, 
die mit dir teilen.

Sei gut zu dir selbst 
und achte auf das, 
was deine Seele braucht.

Übernimm dich nicht, 
sei gelassen, 
akzeptiere dich wie du bist.

Und lebe jeden Tag, 
als sei er ein Geschenk -
 nur für dich.

Höre 
auf die leise Stimme deiner Sehnsucht -
dann wird dein Leben glücken...

Pass dich nicht an
 und gib dich nicht geschlagen,
lebe deine Träume und verwirkliche deine Ziele.

Schwimm gegen den Strom, 
denn nur an der Quelle kannst du
den Lauf des Flusses ändern.

Lass dich niemals abbringen von den Menschen,
die nicht den Mut hatten, 
etwas zu ändern.

Kämpfe, schöpfe Mut und bediene dich deiner Kraft.
Und lass niemals den Helden sterben,
den Helden in dir.


Diesen Text fand ich in den Weiten des WWW, angeblich von einem unbekannten Verfassser geschrieben. Ich habe deshalb etwas recherchiert und wurde fündig. Das Original stammt aus "Wage den Neubeginn" von Hans Kruppa. Ich lese seine Texte sehr gern. Manches könnt ihr auf seiner Seite (Name = Link) selber nachlesen, wenn ihr ihn noch nicht kennt. Auch wenn der Text von ihm mit schönen Gedanken (diesmal von Anselm Grün, aus dem Buch "Das kleine Buch vom wahren Glück") erweitert wurde, denke ich, sollte man doch die beiden lesenswerten Urväter der Ursprungsgedanken benennen und hervorheben.

Wenn ich meine Kinder sehe, wie sie sich unbekümmert mit einfachen Dingen beschäftigen, bin ich froh, dass sie noch einen Blick für die kleinen Dinge des Alltags haben. Ich hoffe, sie bewahren sich diese Eigenschaft.

Mittwoch, 6. Januar 2016

Die drei Weisen und der König - Eine Nachdenkgeschichte zum Thema Demenz




Wieder einmal inne gehalten.

Getragen von Worten, wie sie nur Ludwig findet.

Ludwig schreibt in seinem Blog "Springvogel" Bilder,
findet Geschichten im Wort und die Unendlichkeit in Buchstaben.
Stellt dabei oftmals die Semantik auf den Kopf 
und schlägt Purzelbäume quer durch die Linguistik.

Ludwigs Geschichte: "Der König" hat mich sehr berührt und passt zu dem heutigen Tag.
Besucht ihn doch einmal!







Donnerstag, 10. Dezember 2015

Weltgedenktag für verstorbene Kinder "Worldwide Candle Lighting"




Wenn ich tot bin,
darfst Du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
und in fremden Kleidern Dir begegnen
und Dich segnen.
(Joachim Ringelnatz)

Es jährt sich wieder, für uns zum 13. Mal. Am Sonntag, den 13. Dezember werden wieder weltweit um 19.00 Uhr die Kerzen angezündet. Gerade in der Vorweihnachtszeit ist es schwer, wenn Familienmitglieder verstorben sind und nun nicht mehr unter uns leben. Dreizehn Monate lebte mein Kind mehr auf der Intensivstation als zu Hause. Dort kamen viele Kinder und gingen, andere waren Dauergast auf der Intensivstation wie wir. Es war immer wieder schwer, miterleben zu müssen wie Eltern hofften, kämpften und dennoch am Ende ihr Kind beweinten. Man litt mit den anderen mit und sie auch mit uns.
Zwölf der Kinder starben vor unserer Kleinen. Von vier Bekanntschaften erfuhren wir noch hinterher, dass auch sie nun verwaist waren. Eine betroffene Mutter machte mich damals auf den Gedenktag aufmerksam.

Am zweiten Sonntag im Dezember zünden Eltern Kerzen an, die ihr Kind verloren haben, aber es zünden auch Menschen für andere Familien Kerzen an, um zu zeigen, dass sie an die verstorbenen Kinder denken. Ich denke an diesem Tag bewusst an die Menschen, die mir damals in der Zeit, als meine erste Tochter noch lebte und als sie dann verstarb, gut taten. An die Menschen, die uns begleiteten, aber vor allem an die Menschen, die uns verstehen konnten und können, da sie selber betroffen waren/sind und ihr Kind verloren haben. An diesem Tag brennt meine Kerze für die Kinder, die verstorben sind, aber auch für die, deren Lebenslicht unruhig flackert und bei denen es nicht gewiss ist, ob es weiter brennen wird. Ich denke an Kinder, die unbemerkt von anderen verstarben, oder an die man sich nicht erinnern wollte/sollte. Wusstet ihr, dass man verstorbene Kinder früher gerne (aus verschiedensten Gründen) totgeschwiegen hat? 

Hier kannst du mehr über die Hintergründe des Gedenktages erfahren. Nicht überall verwendet man den (internationalen) Begriff des "Worldwide Candle Lighting". Einige, weitere Beispiele, unter der ihr z.B. auch Gedenkveranstaltungen oder Informationen findet:
(Welt-) Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder
(Welt-) Gedenktag für alle verstorbenen Kinder
Gottesdienst für verwaiste Eltern
(Internationaler) Sternenkinder-Gedenktag
Sternenkindertag
Kerzenleuchten
Kerzenleuchten für Sternenkinder
Tag des weltweiten Kerzenleuchtens
Weltweites Kerzenleuchten
Lichtergottesdienst für verstorbene Kinder
Weltweites Gedenken der verstorbenen Kinder
Weltweite Gedenkstunde der mitfühlenden Freunde für alle vorausgegangenen Kinder
World Wide Candle Lighting Day
Children Memorial Day


Auch wenn sich viele Menschen mit ihrem Leid allein oder allein gelassen fühlen... Es brennen Kerzen... Meine, viele andere ... um ihnen ein Zeichen zu geben. Deine auch? 



Samstag, 21. November 2015

Erziehungsdruck










Wir machen DRUCK, wenn wir erZIEHEN.

Wir verwechseln stur ErDRÜCKung und ErZIEHung.

Man kann Aufmerksamkeit nicht auf sich DRÜCKEN,

man kann Aufmerksamkeit nur auf sich ZIEHEN.


Franz Josef Neffe

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Halloween - Aussage meiner Kinder: "Feiert ohne uns!" (2)




Die Meinung meiner Kinder (12 und 9) hat sich immer noch nicht geändert. Sie feiern auch dieses Jahr kein Halloween. Auf der Arbeit musste ich dann auch dieses Jahr erfahren, dass nur ein sehr geringer Bruchteil unserer deutschen Kinder noch weiß, was wir eigentlich dieses Wochenende für "deutsche (stille) Feiertage" haben und was sie bedeuten. Kennt ihr die Hintergründe? Der Post von 2013 ist immer noch aktuell:

Da staunte ich nicht schlecht. Auch dieses Jahr sagten meine Kinder (10 und 8) ihren Freunden ab. Sie wollten kein Halloween feiern.

Hm, wollten sie mir nur gefallen? Vor ein paar Jahren, bekamen meine Kinder ihre erste Einladungen zu diesem Fest. Sie freuten sich darüber sehr. Sie wussten von den Erzählungen, dass man sich verkleiden durfte und es was zu Naschen gab. Welchem Kind gefällt dies nicht?
Ich redete mit den Müttern. Ich selber mag dieses Fest nicht, weil es seinen ursprünglichen Sinn verloren hat und zu einem zweiten, ausufernden Fasching im Jahr mutiert ist. Ich würde also mich in den nächsten Jahren nicht mit einem Fest revanchieren.  Das war für sie kein Problem, man könne sich doch trotzdem einfach mal zusammensetzen. Es sollte nur eine kleine Feier für die Kinder werden. Es wurde auch nicht einfach an irgendwelche Türen geklingelt und "gestört", sondern nur bei den Familien geklingelt, deren Kinder mitfeierten. Den Kindern reichte dieser kleine Abendspaziergang völlig. Sie waren zufrieden und genossen das Spiel mit den anderen Kindern. Wir Erwachsenen hatten auch einen unterhaltsamen Abend.




Wie immer fragten meine Kinder nach: "Mama, du hattest doch auch Spaß? Magst du Halloween immer noch nicht?"
Ich erklärte ihnen, dass ich mich zwar gerne mit Freunden treffe und mich mit ihnen unterhalte, es auch sehr schön bei ihnen war, aber ich mit dem veramerikanisierten  Fest nichts anfangen kann. Ich finde viele Dekorationsideen spannend und toll gemacht! Leider kann ich trotzdem nicht über die eigentliche Bedeutung dieses Festes hinweg sehen. So wie die Mamas das Fest organisiert haben, fand ich es gut gelöst. Es ging leise mit Begleitung durch das Dorf, keiner wurde unfreiwillig belästigt, nichts beschädigt und jeder war zufrieden. Ich erzählte meinen Kindern wie teilweise anderswo gefeiert (randaliert) wird und dann von den Geschichten aus alten Tagen, vom Hintergrund unserer Traditionen.




Dass ich an diesen Tagen gerne die Ruhe nutze und an ihre verstorbene Schwester denke, aber auch bewusst an die Menschen, die mich ein Stück meines Lebens begleiteten bevor sie starben. Dass es Menschen in unserem Ort gab, die durch ihr Wesen für mich einfach unvergesslich sind, obwohl ich nur wenig mit ihnen zu tun hatte. Bei manch anderen ist es so, als wären sie noch nicht verstorben, sondern einfach nur im Haus geblieben. Manche sehe ich jetzt noch vor mir, wie sie zusammen stehen und ihr "Schwätzla" abhalten, andere blieben durch ihren Duft (sei es Mottenkugeln, Kernseife, Motoröl, Pfeifentabak oder Kölnisch Wasser), wieder andere durch ihre (Körper-) Geräusche in lebhafter Erinnerung. Wenn solche "stillen Feiertage" durch die "Spaßgesellschaft" übertönt werden, geht diese Verbundenheit verloren. Die Feiertage sind eigentlich da, damit wir uns für uns und füreinander Zeit nehmen, um wieder - im wahrsten Sinne des Wortes - zur Besinnung zu kommen.




Es erschließt sich mir leider nicht der Sinn, warum so viele Menschen ein "kulturentfremdetes" Fest feiern. Alle Kinder freuen sich im Jahr über die Ferien. Kaum ein deutsches Kind kann allerdings noch die Frage beantworten, was die Feiertage, die in den Ferien liegen (und da meine ich auch Ostern, Pfingsten und Weihnachten!) für einen Hintergrund haben.
Man glaubt es nicht, was man für Antworten bekommt! Kaum noch ein Kind, dass nicht den Weihnachtsmann für den Nikolaus oder ganz und gar für das Christkind hält. Wobei - viele Erwachsene wissen es auch nicht besser. Ich verstehe es nicht, warum Kinder heutzutage SIEBEN Adventskalender haben. Noch dazu mit Barbie, Hello Kitty oder Star Wars Figuren!  Davon abgesehen: Wenn Jesus am 24.12 Geburtstag hat, warum bekommt jeder Geschenke nur er nicht? (Ich weiß, die Aussage hinkt. Mir geht bei dem Beispiel auch nur um den ausufernden Geschenkewahn und dem Streit, wer die Geschenke bringt, der Hintergrund ist den meisten Leuten egal) Nix da mit "liebt einander" oder "Die dunkle Zeit wurde überwunden"...! Nie wird mehr im Jahr gestritten wie an Weihnachten, doch zurück zu Halloween. Auch dieses Fest wurde komplett aus seinem ursprünglichen Sinn heraus gerissen.



Seit jeher glaubt man, dass uns die Toten in diesem Zeitraum (30.10 bis 8.11)  nah sind, und dass wir an diesen Tagen sie spüren können. Man wurde deshalb still und lauschte. Man versammelte sich und gedachte derer, die verstorben waren. Diese "Ahnen-Gedenktage" findet man in den verschiedensten Kulturkreisen. Sie sind also keine "Erfindung der Kirche", sondern waren schon vor der gesetzlichen Festlegung Tage, an denen die Trauer und die Sehnsucht nach den Verstorbenen einen Platz gefunden haben. Wie man diesen Tag verbringen mag, sei wirklich jedem selber überlassen. Trauer ist vielfältig und wer trauert, der trauert nicht an einem festgelegten Tag, sondern wenn die Gefühle einfach da sind. Aber an diesem/n Tag/en können die Menschen (wenn sie es wollen) sichtbar erfahren, dass sie nicht alleine mit ihrer Trauer sind und dies kann trösten. Bei anderen kann es Verständnis wecken, dass bei manchen Betroffenen der Verlust noch nicht so lange zurück liegt und diese Menschen einfach noch etwas Zeit brauchen, bis die Normalität einkehrt.



Vielerorts wurde früher noch ein Gedeck mehr auf dem Tisch gestellt, als symbolisches Zeichen, dass man der Toten gedenkt, die unter uns lebten. An diesem Tag brannten Kerzen auf den Gräbern und in den Fenstern. Die Seelen der Toten fanden (nach altem Glauben) so den Weg zu ihren Lieben nach Hause. Sie konnten verstehen, dass das Leben weiterging und konnten aber auch (durch das Grablicht) leicht zurück zu ihren Körpern und von dort ins Jenseits finden. Vor Wiedergängern hatte man schon immer Angst und so erzählte man sich in den Stuben noch bis ins 20. Jh. gruselige Geschichten von jungen Burschen die ohne Respekt sich in diesen Tagen auf den Friedhof wagten.
In katholischen Gebieten Deutschlands glaubte man, dass die unerlösten Seelen  an diesem Tag aus dem Fegefeuer heraus dürften und auf Erden ihre Erlösung suchten. Ihnen konnte durch ein Gebet und einer brennenden Kerze geholfen werden. Damit diese aber nicht ins Haus kamen, schnitzte man Fratzen in Rüben (Kürbisse gab es noch nicht) und stellte sie vor die Tür. Das sollte die ungebetenen Seelen davon abschrecken das Haus zu betreten.




Ab November tritt die Ruhe in den Jahreszyklus. Die Erde hat uns gegeben, wir haben geerntet, leben davon und können Resümee ziehen. Man sieht die tristen, abgeernteten Felder, die kahlen Bäume, die ihr Laub abgeworfen haben und spüren, dass es nun eine lange Zeit um uns herum dunkel und kalt wird. Doch wir können die (Seelen-)Zeit für uns nutzen um im neuen Jahr, gestärkt und mit frischen Mut, neu durchstarten zu können. Nach dem Tod eines Menschen ist es ähnlich. Man muss sich auch erst wieder finden, spürt die Einsamkeit, verliert einen Teil seiner Lebensfreude. Man weiß darum, dass der Schmerz sich wandelt, doch im Moment ist dieser Tag einfach noch zu fern und kaum vorstellbar.




Sich an diesen Tagen mit der Vergänglichkeit und dem Wandel aller Dinge zu beschäftigen, sich zu überlegen, an was man festhalten möchte und was man vielleicht lieber loslassen sollte, kann heilend wirken. Auch Verstorbene muss man loslassen können, was nicht gleich gesetzt ist mit "Vergessen"!
Man sollte an den Tagen "zwischen den Welten" nicht im Nebel der Traurigkeit versinken, sondern sich an das Gute und Schöne das man hatte erinnern, so wie man sich im Winter an den eingemachten Früchten erfreut.



Meinen Kinder gefallen die alten Geschichten. Sie meinten, es wäre "echter" als diese Partys und dadurch zwar gruselig aber auch tröstend. Ich höhlte dieses Jahr Kürbisse aus und kochte davon eine Suppe. Während die Große und die Kleine eifrig Gesichter in ihren Kürbis schnitzten, unterhielten wir uns. Das sind die Momente in denen ich dankbar bin. Es sind einfach kleine, intensive Momente "heile Welt" die uns niemand nehmen kann.



Ich bin gespannt, wie es in den nächsten Jahren weiter geht. Ob diese Einstellung länger anhält? Wenn sie mit ihren Freunden feiern wollen, dann dürfen sie es gerne tun. Sie müssen schließlich ihren eigenen Weg finden und es muss nicht meiner sein. Ich bin gespannt, wie es  ab 2017 weiter geht, wenn der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag wird. Kann dann Halloween so wie jetzt noch gefeiert werden?




Montag, 19. Oktober 2015

Wahre Worte







Die ganze Natur ist eine Melodie,

in der eine tiefe Harmonie verborgen ist.

(Johann Wolfgang von Goethe)








Samstag, 10. Oktober 2015

Wut und Angst




Wenn Angst und Wut zusammen treffen, wird es meistens ernst - nicht nur bei den Menschen.

Angst ist Wut nach innen und Wut ist Angst nach außen.
Baghwan (Osho)

Montag, 11. Mai 2015

Lebensspanne





Das Leben ist wie Wasser -
ständig in Bewegung und im ewigen Kreislauf gebunden. 
Schön, dass wir dabei Liebenswertes entdecken und erleben -
auch wenn es manchmal nur von kurzer Dauer ist.


Zum Gedenktag...



Donnerstag, 12. Februar 2015

Das Licht im Fenster




Das Licht im Fenster ist erloschen.


Es war Spätherbst.  Damals fuhr ich am frühen Morgen zu meinem neuen Dienstort. Es war noch dunkel und die Hektik des Tages hatte noch nicht begonnen. Als ich durch ein kleines Dorf fuhr, bemerkte ich auf der anderen Straßenseite in einem Haus im ersten Stock ein grell erleuchtetes Zimmerfenster. Die Vorhänge waren auf eine Seite des Fensters geschoben und gaben den Blick in das Zimmer frei. Die Konturen eines Bettgalgens waren zu sehen und am "Aufrichter" (diese dreieckige "Triangel" über dem Bett) klammerte sich ein Mensch fest. Ich konnte allerdings nur den nackten mageren Unterarm sehen und einen Teil des Oberarmes. Zu viel bleiche Haut über die fleischlosen Knochen hängend, Konturen überdeutlich sichtbar durch das helle Licht.
Dieses Bild vom Halt suchendem Arm, begleitete mich damals durch den Tag und ich habe es jetzt noch vor mir. 

In der folgenden Zeit zog es meinen Blick immer wieder zu dem Fenster. Man ließ den Vorhang stets zurück gezogen, damit die Person einen uneingeschränkten Blick nach draußen hatte. Manchmal hingen Jahreszeiten bezogene Bilder am Fenster, manchmal stand das Auto vom medizinischen Dienst vor dem Haus. Ab und an, selten, standen frische Blumen am Fenster. Am Anfang sah ich den Arm noch oft nach oben gestreckt, die Hand den Aufrichter umklammernd.

Einmal blieb das Licht aus und ich fuhr nachdenklich zur Arbeit. Ob etwas geschehen war? Am nächsten Tag leuchtete mir wieder das Licht aus dem Zimmer entgegen. Mich ergriff Erleichterung. Ich vermutete, dass vielleicht der Tagesrhythmus einfach  durcheinander geraten war.

An einem anderen Tag war das Zimmer sehr belebt und mehrere Menschen waren hektisch am Bett beschäftigt. Ich kannte die kranke Person nicht, doch ich konnte mich nicht gegen das Gefühl der Sorge wehren. Dieses Licht im Fenster, der unbekannte Mensch mit seiner Lebensgeschichte, waren mittlerweile zu einem Teil meiner Fahrt zur Arbeit geworden.

Wie lange braucht man, um an ein Haus in einem Dorf vorbei zu fahren? Es sind doch nur Sekunden und dennoch nehmen wir so viele einprägsame Bilder wahr.

Irgendwann war der Arm und die Hand am Aufrichter nicht mehr zu sehen, doch das Licht leuchtete tapfer weiterhin durch die Dunkelheit.

Nun, nach knapp vier Jahren, bleibt das Zimmer dunkel. Wann fiel es mir zum ersten Mal bewusst auf, dass es nun für immer dunkel bleibt? Ich kannte diese Person nicht, dennoch war sie mir vertraut und begleitete mich ein Stück durch meine Alltagswelt.

Es fehlt mir das Licht. Das Fenster bleibt dunkel und reiht sich nun unauffällig in die Häuserfront ein. Der Vorhang ist zugezogen und es verzieren keine Bilder mehr das Fenster.
Das Lebenslicht scheint erloschen zu sein.

Die Erinnerung an das Licht jedoch bleibt erhalten.




Dienstag, 23. Dezember 2014

Die Apfelsine des Weisenknabens




Die Apfelsine des Weisenknaben:

Schon als kleiner Junge hatte ich meine Eltern verloren und kam mit neun Jahren in ein Waisenhaus in der Nähe von London. Es war mehr als ein Gefängnis. Wir mussten 14 Stunden am Tage arbeiten - im Garten, in der Küche, im Stall, auf dem Felde. Kein Tag brachte eine Abwechslung und im ganzen Jahr gab es für uns nur EINEN einzigen Ruhetag: Das war der Weihnachtstag.

Dann bekam jeder Junge eine Apfelsine zum Christfest. Das war alles. Keine Süßigkeiten, kein Spielzeug. Aber auch diese eine Apfelsine bekam nur derjenige, der sich im Laufe des Jahres nichts hatte zu schulden kommen lassen und immer folgsam war. Die Apfelsine an Weihnachten verkörperte die Sehnsucht eines ganzen Jahres. So war wieder einmal das Christfest herangekommen. Aber es bedeutete für mein Knabenherz fast das Ende der Welt.



Während die anderen Jungen am Waisenhausvater vorbei schritten und jeder seine Apfelsine in Empfang nahm, musste ich in einer Zimmerecke stehen und zusehen. Das war meine Strafe dafür, dass ich eines Tages im Sommer hatte aus dem Waisenhaus weglaufen wollen. Als die Geschenkverteilung vorüber war, durften die anderen Knaben im Hofe spielen. Ich aber musste in den Schlafraum gehen und dort den ganzen Tag über im Bett liegen bleiben. Ich war tieftraurig und beschämt. Ich weinte und wollte nicht länger leben. 

Nach einer Weile hörte ich Schritte im Zimmer. Eine Hand zog die Bettdecke weg, unter der ich mich verkrochen hatte. Ich blickte auf. Ein kleiner Junge namens William stand vor meinem Bett, hatte eine Apfelsine in der rechten Hand und hielt sie mir entgegen. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Wo sollte eine überzählige Apfelsine hergekommen sein?



Ich sah abwechselnd auf William und auf die Frucht und fühlte dumpf in mir das es mit der Apfelsine eine besondere Bewandtnis haben müsse. Auf einmal kam mir zum Bewusstsein, dass die Apfelsine bereits geschält war, und als ich näher hinblickte, wurde mir alles klar und Tränen kamen in meine Augen und als ich die Hand ausstreckte, um die Frucht entgegen zu nehmen, da wusste ich, dass ich fest zupacken musste, damit sie nicht auseinander fiel.

Was war geschehen? 

Zehn Knaben hatten sich im Hof ​​zusammengetan und beschlossen das auch ich zu Weihnachten meine Apfelsine haben müsse. So hatte jeder die seine geschält und eine Scheibe abgetrennt und die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie sorgfältig zu einer neuen, schönen und runden Apfelsine zusammengesetzt.



Diese Apfelsine war das schönste Weihnachtsgeschenk in meinem Leben. Sie lehrte mich, wie trostvoll echte Kameradschaft sein kann.

Charles Dickens


Sonntag, 14. Dezember 2014

Weltgedenktag für verstorbene Kinder




Heute ist es wieder einmal soweit, um 19.00 Uhr der jeweiligen Landeszeit, zünden weltweit Menschen für verstorbene Kinder eine Kerze an und stellen diese an ihr Fenster. Zum zwölften Mal steht auch bei uns in den Zimmern eine Kerze am Fenster.

Am 2. Sonntag im Dezember ist die "weltweite Gedenkstunde der mitfühlenden Freunde für alle vorausgegangenen Kinder". Darauf machte mich vor zwölf Jahren eine betroffene Mama aufmerksam, indem sie mir sagte, dass bei ihr die Kerze auch für meine Kleine brennt. Den folgenden Text kann man überall zur Erklärung lesen. Der Autor ist mir leider unbekannt:

"Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 20 000 Kinder und junge Erwachsene, weltweit sind es um ein Vielfaches mehr. Und überall bleiben trauernde Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde zurück. Täglich wird in den einzelnen Familien dieser Kinder gedacht. Doch einmal im Jahr wollen weltweit Betroffene nicht nur ihrer eigenen Töchter, Söhne, Schwestern, Brüder, Enkel und Enkelinnen gedenken.



Ein Licht geht um die Welt.


Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember stellen seit vielen Jahren Betroffene rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so dass eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt.
Jedes Licht im Fenster steht für das Wissen, dass diese Kinder das Leben erhellt haben und dass sie nie vergessen werden. Das Licht steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben lässt. Das Licht schlägt Brücken von einem betroffenen Menschen zum anderen, von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen, von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen. Es versichert Betroffene der Solidarität untereinander. Es wärmt ein wenig das kalt gewordenen Leben und wird sich ausbreiten, wie es ein erster Sonnenstrahl am Morgen tut."


Meine Gedanken sind heute nicht nur bei den Eltern, die ihr Kind schon verloren haben... ich denke auch an die vielen Eltern, die in diesen Stunden, Tagen und Wochen um das Leben ihrer Kinder bangen. Ich wünsche ihnen von Herzen ein kleines Weihnachtswunder und vielleicht wird der ein oder andere heute, wenn er eine Kerze brennen sieht, getröstet.

Ich bin in all den Jahren immer wieder einzigartigen, kostbaren Menschen begegnet und darüber sehr dankbar. Sie bleiben mir in Erinnerung (auch wenn der Kontakt vielleicht im Laufe der Jahre abgebrochen ist) nur allein deswegen, weil sie damals mit ihrem "DA SEIN" ihre liebenswerten Spuren in meinem Herzen hinterlassen haben. 
Wenn die Gedanken in die vergangene Zeit wandern, dann sind auch sie ein Teil davon. Meine guten Wünsche, sollen ihnen Begleiter sein.




Freitag, 24. Oktober 2014

Der Baum - Wahre Worte dazu im Wortbild










Seltsam wie 
unsere Beziehungen zum 
Baum sich ändern, wenn wir erst
 einmal seinen Wert und seine Würde als 
lebendiges Wesen erfasst haben. Bäume sind In-
dividualisten, Persönlichkeiten, die innerhalb der 
Begrenzung ihrer Art über eine unendliche Fülle 
des Ausdrucks verfügen, so dass sie dem empfindsamen 
Auge heroisch erscheinen mögen, oder komisch, oder 
tragisch... Solange der Baum es vermeiden kann,bedrängt 
er selten oder nie die Freiheit eines anderen Baumes. Er 
scheint zu erfühlen, dass seine Freiheit dort endet, wo die 
des anderen beginnt. Niemals vergeudet er sein Wachstum 
in nutzlosen Verrenkungen oder leichtfertigem Energie-
verschleiß. Dreht und wendet er sich, so geschehen diese 
Drehungen und Wendungen in engem Zusammenhang, 
ja in Übereinstimmung mit denen seines Nachbarn 
und führen zu jenem Rhythmus,
 jenem Flie-
ßen ver-
wandter
 Linien, 
die dem 
Walde 
eigen sind.
(John F. Carlson)