Dienstag, 23. Dezember 2014

Die Apfelsine des Weisenknabens




Die Apfelsine des Weisenknaben:

Schon als kleiner Junge hatte ich meine Eltern verloren und kam mit neun Jahren in ein Waisenhaus in der Nähe von London. Es war mehr als ein Gefängnis. Wir mussten 14 Stunden am Tage arbeiten - im Garten, in der Küche, im Stall, auf dem Felde. Kein Tag brachte eine Abwechslung und im ganzen Jahr gab es für uns nur EINEN einzigen Ruhetag: Das war der Weihnachtstag.

Dann bekam jeder Junge eine Apfelsine zum Christfest. Das war alles. Keine Süßigkeiten, kein Spielzeug. Aber auch diese eine Apfelsine bekam nur derjenige, der sich im Laufe des Jahres nichts hatte zu schulden kommen lassen und immer folgsam war. Die Apfelsine an Weihnachten verkörperte die Sehnsucht eines ganzen Jahres. So war wieder einmal das Christfest herangekommen. Aber es bedeutete für mein Knabenherz fast das Ende der Welt.



Während die anderen Jungen am Waisenhausvater vorbei schritten und jeder seine Apfelsine in Empfang nahm, musste ich in einer Zimmerecke stehen und zusehen. Das war meine Strafe dafür, dass ich eines Tages im Sommer hatte aus dem Waisenhaus weglaufen wollen. Als die Geschenkverteilung vorüber war, durften die anderen Knaben im Hofe spielen. Ich aber musste in den Schlafraum gehen und dort den ganzen Tag über im Bett liegen bleiben. Ich war tieftraurig und beschämt. Ich weinte und wollte nicht länger leben. 

Nach einer Weile hörte ich Schritte im Zimmer. Eine Hand zog die Bettdecke weg, unter der ich mich verkrochen hatte. Ich blickte auf. Ein kleiner Junge namens William stand vor meinem Bett, hatte eine Apfelsine in der rechten Hand und hielt sie mir entgegen. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Wo sollte eine überzählige Apfelsine hergekommen sein?



Ich sah abwechselnd auf William und auf die Frucht und fühlte dumpf in mir das es mit der Apfelsine eine besondere Bewandtnis haben müsse. Auf einmal kam mir zum Bewusstsein, dass die Apfelsine bereits geschält war, und als ich näher hinblickte, wurde mir alles klar und Tränen kamen in meine Augen und als ich die Hand ausstreckte, um die Frucht entgegen zu nehmen, da wusste ich, dass ich fest zupacken musste, damit sie nicht auseinander fiel.

Was war geschehen? 

Zehn Knaben hatten sich im Hof ​​zusammengetan und beschlossen das auch ich zu Weihnachten meine Apfelsine haben müsse. So hatte jeder die seine geschält und eine Scheibe abgetrennt und die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie sorgfältig zu einer neuen, schönen und runden Apfelsine zusammengesetzt.



Diese Apfelsine war das schönste Weihnachtsgeschenk in meinem Leben. Sie lehrte mich, wie trostvoll echte Kameradschaft sein kann.

Charles Dickens


Sonntag, 14. Dezember 2014

Weltgedenktag für verstorbene Kinder




Heute ist es wieder einmal soweit, um 19.00 Uhr der jeweiligen Landeszeit, zünden weltweit Menschen für verstorbene Kinder eine Kerze an und stellen diese an ihr Fenster. Zum zwölften Mal steht auch bei uns in den Zimmern eine Kerze am Fenster.

Am 2. Sonntag im Dezember ist die "weltweite Gedenkstunde der mitfühlenden Freunde für alle vorausgegangenen Kinder". Darauf machte mich vor zwölf Jahren eine betroffene Mama aufmerksam, indem sie mir sagte, dass bei ihr die Kerze auch für meine Kleine brennt. Den folgenden Text kann man überall zur Erklärung lesen. Der Autor ist mir leider unbekannt:

"Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 20 000 Kinder und junge Erwachsene, weltweit sind es um ein Vielfaches mehr. Und überall bleiben trauernde Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde zurück. Täglich wird in den einzelnen Familien dieser Kinder gedacht. Doch einmal im Jahr wollen weltweit Betroffene nicht nur ihrer eigenen Töchter, Söhne, Schwestern, Brüder, Enkel und Enkelinnen gedenken.



Ein Licht geht um die Welt.


Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember stellen seit vielen Jahren Betroffene rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so dass eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt.
Jedes Licht im Fenster steht für das Wissen, dass diese Kinder das Leben erhellt haben und dass sie nie vergessen werden. Das Licht steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben lässt. Das Licht schlägt Brücken von einem betroffenen Menschen zum anderen, von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen, von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen. Es versichert Betroffene der Solidarität untereinander. Es wärmt ein wenig das kalt gewordenen Leben und wird sich ausbreiten, wie es ein erster Sonnenstrahl am Morgen tut."


Meine Gedanken sind heute nicht nur bei den Eltern, die ihr Kind schon verloren haben... ich denke auch an die vielen Eltern, die in diesen Stunden, Tagen und Wochen um das Leben ihrer Kinder bangen. Ich wünsche ihnen von Herzen ein kleines Weihnachtswunder und vielleicht wird der ein oder andere heute, wenn er eine Kerze brennen sieht, getröstet.

Ich bin in all den Jahren immer wieder einzigartigen, kostbaren Menschen begegnet und darüber sehr dankbar. Sie bleiben mir in Erinnerung (auch wenn der Kontakt vielleicht im Laufe der Jahre abgebrochen ist) nur allein deswegen, weil sie damals mit ihrem "DA SEIN" ihre liebenswerten Spuren in meinem Herzen hinterlassen haben. 
Wenn die Gedanken in die vergangene Zeit wandern, dann sind auch sie ein Teil davon. Meine guten Wünsche, sollen ihnen Begleiter sein.