Montag, 6. Juli 2015

Sweety - Tag 3 Augenblicke


6.Juli

Der Spatz hatte auch die zweite Nacht gut überstanden. Der Bauch sah etwas drall aus. Da muss man bei so kleinen Vögeln noch gut aufpassen, denn ihr Zustand kann sehr schnell kippen. Nachdem aber weiterhin gut aussehender Kot abgesetzt wurde, blieb ich gelassen.

Ab halb fünf weckte mich ein Tschilpen und alle dreiviertel Stunden wurde laut und eindringlich auf sich aufmerksam gemacht. Die Federchen scheinen bei Spatzen am Tag zwischen 1-2 mm zu wachsen. Immer schöner wurde der kleine Vogel. Dann fiel mir etwas völlig Neues auf.

Offene Augen blickten mich an...direkt in die Augen. Lange und ruhig, voller Vertrauen. Der Blick ging durch die Haut. 





Sonntag, 5. Juli 2015

Sweety - Tag 2 Unterbringung des Nestlings und der "Output"


 5.Juli

Der Spatz hatte die Nacht überstanden. Ab 5.00 Uhr begann die Fütterungszeit und alle halbe bis dreiviertel Stunde wurde bis in die Nacht hinein gefüttert. Vogeleltern füttern bis zum Sonnenuntergang und in der Nacht haben Jungvögel auch Ruhe und werden nicht gestört. Aber ich zog die Fütterungszeit bis 22.00 Uhr hinaus. In der freien Natur füttern Vogeleltern ihre Jungen ab Sonnenaufgang, sooo pünktlich musste ich dann doch nicht sein.

Der Spatz war von der Kopfbefiederung her ein Hausspatz, denn bei Feldspatzen ist das Köpfchen richtig erdbraun. Gierig bettelte er und forderte sein Futter ein. Die Augen ließ er geschlossen. So ab dem achten Tag öffnen sich normalerweise die Augen. Sobald ich mich allerdings dem Nest näherte und er den Schatten spürte, fing er lautstark an zu piepsen und reckte seinen nackten, dürren, klapprigen Hals empor. Der wackelige Kopf mit weit geöffnetem Schnabel wirkte viel zu groß für diesen Hals.


Auch wenn es für viele eklig ist. Der "Output" von Pfleglingen ist sehr wichtig
um den Gesundheitszustand einschätzen zu können. Diese Häufchen lassen sich
leicht entfernen. Die Größe des Kotbeutels im Verhältnis zum Hinterteil ist beachtlich.

Etwas, worüber meine Kinder sich königlich amüsieren konnten, geschah prinzipiell bevor er die zweite Ladung Futter verschlang. Mit viel Anstrengung wurde sich gedreht. Ein noch nacktes Hinterteil mit kurzen Schwanzfederchen wurde mir entgegengestreckt und mühsam rückwärts dem Nestrand hochgekrakelt. Dann ein kurzer Stopp. Mit einem feuchten kurzen "Pfftt" hatte ich direkt vor mir einen weißglibbrigen Kotbeutel liegen. Schwupps, schon war  der Spatz wieder im Nest und forderte ungeduldig sein Futter.


So sieht frischer gesunder Nestlingskot aus.
Durchfall, Grünfärbung o. ä. weisen auf
Krankheit hin 

Bei Nestlingen ist der Kot noch von einer Haut überzogen. Das Weiße ist der Urin und das braun-schwarze Würstchen der Kot. Die Jungtiere koten zum Nestrand hin und die Eltern tragen das Päckchen weg. So wird kein Fress-feind, aber auch keine Fliegen durch den Geruch angezogen und das Gefieder verklebt nicht.

Alter Nestlingskot lässt sich leicht
 entfernen und macht keine Flecken.

Apropos Nest. Auch wenn ein mit Küchenpapier oder Tuch ausgelegtes Nest hygienischer wirkt und schön sauber aussieht. Man sollte Nestlingen am besten ein Naturnest aus Moos (trocken) bauen oder z.B. einen napfförmig drapierten alten Strumpf/ altes Tuch als Unterlage anbieten. Wenn man Vögel auf geraden, flachen Untergrund in einer Schachtel bettet, führt dies zu Fehlstellungen der Beine und Zehen, was verheerend für das Leben in Freiheit ist. Sie greifen schon im Nest (siehe rückwärts hoch Krabbeln um zu koten) und trainieren dabei das Zusammenziehen und lösen ihrer Zehenmuskulatur. Auf einer geraden Fläche bleiben die Zehen immer ausgestreckt und durch die Krallen werden sie nach oben überstreckt. Das macht Probleme, wenn sie dann einen Zweig umfassen sollen um dort Halt zu finden.




Ich habe meistens eine kleine Schachtel, die ich ganz unten mit Zewa auslege, dann kommt darüber eine Schicht Moos. Mit den Fingern wird ausgetestet, dass es auch an keiner Stelle piekst. Dann rolle ich ein paar einzelne Blätter Zewa und drapiere es um das Nest. So kann ich das verschmutzte Zewa schnell austauschen.

Diese kleine Schachtel stelle ich übrigens in einen großen Meerschweinchenkäfig. Dieser ist auch schon mit Moos, Zewa, Naturkork, Ästen und Sandschüssel bestückt. Wenn sich der Kleine vom Nestling zum Astling entwickelt, oder aus dem Nest klettert, kann er durch die unterschiedlichen Materialien die Füßchen trainieren und es sich an einem anderen Ort innerhalb des Käfigs bequem machen. Auch darf geflattert werden. Ein Vogelkäfig sollte mehr breit als hoch sein. Vögel fliegen schließlich nicht wie Raketen, sondern eher wie Flugzeuge. Da ich bei diesem Model darauf achtete, dass kein Gitter an den Seiten ist, stößt er sich auch keine Federn ab. Die Katzen könnten auch nicht angeln und ihn verletzen, falls mal eine Tür nicht ganz geschlossen sein sollte. Ich muss zudem keine Angst haben, dass er mir irgendwo entwischt, denn ich kann zur Not auch von oben füttern. Dort sind ein Schiebegitter und zwei Türen vorhanden.

Dieses Quartier für die Zeit vom Nestling bis zum Astling ist 75 cm x 45 x groß
Links hinten im Eck ist ein kleiner Feldspatz zu sehen. Das war Herkules.




Samstag, 4. Juli 2015

Sweety - Am seidenen Faden


Die Geschichte einer kleinen Spatzendame

Am 4. Juli hielt ich ein Seminar über die Heilpflanzen des Frankenwaldes. Da ich zu solchen Zwecken das Handy auf lautlos stelle und kaum Zeit habe, darauf zu blicken, war es ein kleines Wunder, dass der Zeitpunkt, als der Kleine gefunden wurde, auf die Pausenzeit fiel.

Als ich um 12.41 die SMS einer lieben Freundin bekam, hatte ich noch 20 Minuten Zeit, bevor es weiter gehen sollte. Drohnen und Heimchen hatte ich vorrätig und auch Vogelhandaufzuchtsfutter (Nutribird21) sowie Mineralstoffe vom Tierarzt (Link). Ich rief schnell zurück und rief auch zu Hause an. Meine Kinder sollten schon mal drei Drohnen auftauen und den Notfallbehälter bereit stellen. Ich nahm von meiner Freundin den Spatz entgegen und fuhr nach Hause. Die Temperaturen hatten ihn scheinbar aus dem Nest in die Ungewissheit springen lassen. Es waren über 36° C und die Autofahrt unerträglich. 

Der Kleine hatte einen klatschroten Bauch. Zu rot. Die Augen waren geschlossen. Ich schätzte ihn auf ca. eineinhalb Wochen. Er ist aus dem Nest unterm Dach aus 2,50 m Höhe auf die Metalltreppe gefallen. Als Erste Hilfe bekam er Wasser von den Findern und man wartete auf die Eltern. Doch die Temperaturen waren zu hoch. Mit offenem Schnabel versuchte er ohne Erfolg sich Kühle zu verschaffen. Kein Elternteil kam und versorgte den Kleinen. Also kontaktierte man mich. 

Etwas Sorge hatte ich wegen des Wassers. Zu viel vertragen Nestlinge nicht und man wusste nicht, wie lange er schon auf der Treppe lag, bevor man ihn fand. Viel Hoffnung hatte ich nicht. Er war zu dehydriert, zu schwach und ohne viele Reaktionen. Ob er das Futter vertragen würde?

Schlapp und nackig lag er da. Die Augen waren noch geschlossen. Dennoch konnte ich ihn zu Bienendrohnen überreden. In der Zwischenzeit hatten meine Kinder eingefrorene Heimchen entbeint und - in Alufolie gewickelt - zwischen zwei Kühlakkus gelegt. Ich packte schnell das Handaufzuchtspulver und mein Zubehör ein und düste mit den Vogel zum Seminar. Ein aufregender Tag für den Spatz, aber nur so konnte er durchgehend versorgt werden.

Die Teilnehmer reagierten einfach toll und keiner hatte etwas gegen den kleinen Gast im Gegenteil. Dafür bin ich ihnen jetzt noch dankbar. Ab und an sperrte er schlapp den Schnabel etwas weiter auf und schwupps landete ein aufgetautes, zimmerwarmes Heimchen oder ein kleiner Batzen Brei im Rachen. Alle 20 - 30 Minuten fing er an zu piepsen, leise und matt. Erst um 21.00 Uhr sperrte er plötzlich den Schnabel weit auf und forderte endlich lautstark sein Futter ein. Um 22.00 Uhr gab es die letzte Mahlzeit.

Die Hoffnung flackerte auf.